Tino Standhaft acoustic duo   im Weidengrund Lochwitz am 07.06.15

 

Manches braucht einfach Zeit im Leben und im guten Falle trifft dann zusammen, was lange gebraucht hat und es entsteht ein magisches Ereignis. So geschehen am gestrigen Sonntagnachmittag im vermeintlich trostlosen Mansfelder Land, wo uns Schulze, der den Blues kriegte, lange als einziges erwähnenswertes Kulturgut erschien. Schon mehrfach hatte der Konzertveranstalter unseres Vertrauens im Hallenser Objekt 5 mich eingeladen, doch mal eine der Veranstaltungen, die er bei sich zu Hause, auf einem Gehöft in Lochwitz veranstaltet, zu besuchen. Nun ist Sonntagnachmittag eine nicht immer passende Zeit und knappe 100 Km wollen auch noch bewältigt werden  aber beim letztens besprochenen Konzert der Muffin Men wurde ich wieder so herzlich eingeladen, dass ich schlecht nein sagen konnte. Zu dritt begaben wir uns also ins Mansfeldische und wurden vom Navigationsgerät vorbei an Windradwäldern über teilweise abenteuerliche Panzerstraßen sicher ins malerisch gelegene Lochwitz geleitet. Das Fahrzeugaufkommen verdichtete sich je näher wir dem Dorf kamen, die kurz vor uns Eingetroffenen bewegten sich auch zielsicher in Richtung der Veranstaltungsstätte. Zugegebenermaßen gab es die Möglichkeit, das Ziel noch zu verfehlen, bei einer Dorfstraße, die eine Sackgasse ist, nicht wirklich. Der Weidengrund stellt sich als ein, wie ich später vom Gastgeber erfuhr,  über  zwanzig Jahre mühe- und liebevoll renovierter spät mittelalterlicher Gutshof dar, mit Feldsteingemäuer, Butzenscheiben, Baumbestand in der Hofmitte und weitläufigem Nebengelass. Tino Standhaft, der auch zum ersten mal hier war, deklarierte den traumhaften Platz auch gleich als ’seinen neuen Landsitz‘.

Pünktlich 17 Uhr hatten er und sein kongenialer Partner Norman Daßler sich auf die kleine, von diversen Couches, Sesseln, Stühlen und Bierbänken umstellte Bühne begeben und Standhaft erklärte kurz, was zu erwarten sei  drei Sets, in der ersten Abteilung Neil Young, dann Clapton und Co. und schließlich eigenes Material. Dass das wirklich hieß, dass drei Stunden Musik zu erwarten waren, war da noch nicht  abzusehen und ich gebe es zu, auf welchem Niveau sich dieses grandiose Konzertereignis abspielen würde, war mir auch noch nicht klar, erstmal war einfach nur eine wunderbare location, Kaffee und Kuchen, später Bier und Bratwurst und strahlender Sonnenschein  eigentlich schon genug für einen angenehmen Sonntagnachmittag. Kaum dass die ersten Saiten angeschlagen waren, lag ein exzellenter Sound über dem Anwesen, die Beiden kann man schlicht als Gitarristen der Spitzenklasse bezeichnen und ihr Zusammenspiel als perfekt. Hinzukommt, dass Standhaft eine stimmliche Nähe zum Young der siebziger und achtziger Jahre hat, dass er stellenweise wirklich als Double durchgehen würde, Haartracht und Bart sowieso. Das soll aber nicht heißen, dass die Cover des Duos platte Nachspielungen des vom Altmeister Vorgegebenen wären  ganz anders würde ich sagen, das was wir da gestern erleben durften, war wohl das, was Young vorschwebte, als Platten wie ‑Unplugged oder ‑Acoustic Concert Live Performance entstanden. Wir hörten  Don’t Let It Bring You Down, Cinnamon Girl und Ohio, das Standhaft in Erinnerung an den seinerzeit hierzulande gezeigten und von uns allen geliebten Film ‑Blutige Erdbeeren, der seiner Meinung nach die Mauer zu Fall gebracht habe (‑Den hätten sie uns nicht zeigen dürfen und ‑The Last Waltz auch nicht.), einführte. Auch Hey Hey, My My war zu hören und Schließlich Heart Of Gold. Cortez The Killer gab es nicht (Ich kenne auch keine akustische Version.) gleichwohl, ob nun ausgesprochen oder nur gewünscht, die Hoffnung auf dieses Stück natürlich über dem altehrwürdigen Gemäuer schwebte. Ich sage es aber gleich dazu, das war keinerlei Abstrich am Gebotenen und was noch kam, sollte uns mehrfach für diese Auslassung entschädigen. Part zwei wurde eröffnet mit Clapton’s in die Ewigkeit eingeschriebener Akustikversion von Layla, wunderschön, auch wenn hier Standhafts Stimme deutlich mehr zum Original kontrastierte  keinesfalls aber in unangenehmer Weise. After Midnight und schließlich I Shot The Sheriff und ich wähnte, das müsse der Zenit des Konzerts sein, grandiose Musik. Ich ahnte nicht, wie mir kurze Zeit darauf bei All Along The Watchtower die Ohren klingen, das Herz höher schlagen und das Hirn kurz vorm Abschalten sein würde. Ich weiß nicht, wie viele -zig Versionen dieses unsterblichen Stückes ich kenne  die gestern gehörte kommt jedenfalls in die Top Ten. Auch die Stücke nach der zweiten Pause, also das eigene Material, fiel keinesfalls hinter das bis dahin Gehörte zurück, spielerisch sowieso nicht, aber auch die Stücke, die sich die beiden offenbar auf den Leib geschrieben haben, waren kompositorisch und von den Arrangements her großartig. Der Zuspruch des Publikums war auch ebenso herzlich wie beim internationalen Liedgut.

Ich hätte nicht zwingend damit gerechnet, dass die Beiden nach drei jeweils nahezu einstündigen Sets noch eine Zugabe spielen und ich wäre völlig mit dem Konzert zufrieden, hoch beglückt gewesen. Da kamen sie denn doch noch mal zurück, nahmen ihre Klampfen und schon nach den ersten Klängen durchschoss mich dieses irrwitzige Kribbeln, das sich immer einstellt beim letztens vom Rolling Stone als besten Stonestitel aller Zeiten gekürten Gimme Shelter. So GROSS!! Aber es gibt nichts, was nicht zu topen wäre  manches braucht wirklich Zeit: Tino und Norman brauchten gestern eben drei Stunden, um sich so warm zu spielen, dass sie schließlich auch mit kleinen Flügeln dafür sorgen konnten, dass sich der Weidengrund gen  Himmel verabschiedete  bei diesem Little Wing müssen allen da oben Versammelten von Jimi bis Stevie Ray die Ohren geklungen haben.

Götz

 

2 comments

Wunderbarer Artikel! Gibt genau wider, was so viele bei Tinos Konzerten empfinden. Und die location ist auch ein Tipp! Ganz anders, aber genau so schön: die Stadtkirche in Bad Schmiedeberg, wo Tino und Norman am Sonnabend, 19. September, auftreten werden – mit großer Technik, denn der eine oder andere Titel sollen auf die neue Live-CD gepresst werden. Und wo hat man schon mal eine volle Orgel (Geißler-Voigt, 1857/1997) zur Verfügung?! Wer also kann, sollte mit für ein tolles Publikum sorgen!

Wunderbarer Artikel! Gibt genau wider, was so viele bei Tinos Konzerten empfinden. Und die location ist auch ein Tipp! Ganz anders, aber genau so schön: die Stadtkirche in Bad Schmiedeberg, wo Tino und Norman am Sonnabend, 19. September, auftreten werden – mit großer Technik, denn der eine oder andere Titel sollen auf die neue Live-CD gepresst werden. Und wo hat man schon mal eine volle Orgel (Geißler-Voigt, 1857/1997) zur Verfügung?! Wer also kann, sollte mit für ein tolles Publikum sorgen!

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